Die Wurzeln der Gemeinschaftsbewegung

Schon Martin Luther äußerte die Idee, Christen in Privathäusern zum Gespräch über die Bibel zu versammeln. Doch erst etwa 150 Jahre nach der Reformation setzte Philipp Jakob Spener diesen Gedanken in die Tat um. In seinem Gemeindekonzept finden die Hausbibelkreise erstmals ihren festen Platz. Spener gilt als Begründer des Pietismus, einer Bewegung von Christen, die sich mit den Inhalten ihres Glaubens in Theorie und Praxis intensiv befassen wollen.

Andere Vertreter dieser Richtung fügen dem Gesamtbild weitere Akzente hinzu: August Hermann Francke entwickelt aus dem Glauben einen pädagogischen Ansatz; ihm ist die „Bildung für alle“ ein wichtiges Anliegen. Nikolaus Graf von Zinzendorf gründet die Herrnhutter Brüdergemeine mit zahlreichen Außenstellen (auch in Holstein und Dänemark). Er möchte die lebendigen Gemeinschaft unter den Christen fördern. Johann Albrecht Bengel forscht und lehrt, was in der Bibel zu entdecken ist.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts entsteht aus diesen vielfältigen Impulsen die „Erweckungsbewegung“: in verschiedenen Regionen Europas schließen sich Christen zusammen, um ihrem Glauben in der Lebensgestaltung Ausdruck zu geben. In den so gewachsenen „Gemeinschaften“ beschäftigen sich Christen auch ohne theologische Ausbildung mit der Bibel und setzen sich gezielt für die Verbreitung ihres Glaubens ein. Sie tun das nicht zuletzt, indem sie ihre sozialdiakonische Verantwortung für die Gesellschaft entdecken und wahrnehmen.

Wichtige Anstöße für Norddeutschland gehen von Johann Hinrich Wichern aus. Dieser wirbt seit dem ersten evangelische Kirchentag in Wittenberg 1848 ausdrücklich für die Mission im eigenen Land. Er fordert, „dass die Straßenecken zu Kanzeln würden, damit das Evangelium wieder zum Volk dringe“.

Damals hatten sich in Schleswig-Holstein kleine Kreise gläubiger Christen gesammelt, deren Wurzeln zwar sehr unterschiedlich waren, die aber doch in einem inneren Zusammenhang zu der innerkirchlichen Erneuerungsbewegung um Philipp Jakob Spener und Nikolaus Ludwig von Zinzendorf standen.
Zunächst ohne feste Bindung untereinander, kam es bald zu einem regelmäßigen Briefwechsel zwischen den einzelnen Gemeinschaftskreisen. Im Jahre 1857 wurde dann der „Verein für Innere Mission in Holstein“ gegründet, der heutige „Verband der Gemeinschaften in der Evangelischen Kirche in Schleswig-Holstein“ kurz VG.

Die grundlegenden Einsichten der Gemeinschaftsbewegung werden 1888 auf einer Konferenz in Gnadau bei Magdeburg wie folgt zusammengefasst:

1. Laienarbeit: Jeder kann etwas, keiner kann alles, alle arbeiten mit.
2. Evangelisation: Die Verbreitung der Guten Nachricht von Jesus ist unverzichtbar.
3. Heiligung: Der Glaube verändert den Menschen.
4. Organisierte Gemeinschaft: Die Gemeinschaftsbewegung findet und definiert ihren Platz in der Kirche.
5. Gebet: Gemeinschaftsarbeit lebt vom intensiven Gespräch mit Gott.
6. Bibelstudium: was über Gott, die Welt und das Leben der Menschen wichtig ist, erfährt man aus der Bibel.

Für die Gemeinschaftsbewegung in Europa sind die genannten Schwerpunkte bis heute maßgeblich.
Die Gemeinschaft Neumünster
Die Anfänge der Gemeinschaft Neumünster gehen aber schon auf das Jahr 1860 zurück:

  • 1860 erste private Bibelkreise bei Tischlermeister Medro
  • 1873 (23.3.) Gründung eines Männer- und Jünglingsvereins in der „Herberge zur Heimat“ (Mittelstraße)
  • 1880 (16.8.) Neugründung des Vereins durch Pastor Riewerts; erste öffentliche Versammlung am 14.11. („Teeabend“)
  • 1882 (2.4.) Gründung des Posaunenchores; am 5.8. beginnt der erste Sendbote des Gemeinschaftsvereins (Gustav Ihloff) seine Arbeit in NMS
  • 1886 Bau eines Vereinshauses in der Joachimstraße mit Platz für 250 Personen
  • 1893 Bau des Vereinshauses in der Klosterstraße mit Platz für 500 Personen
  • 1894 Gründung der Buchhandlung und Druckerei „G. Ihloff & Co“
  • 1897 Evangelisation durch Hudson Taylor
  • 1900 Gründung des Gemischten Chores
  • 1907 die Gemeinschaft gibt sich einen organisatorischen Rahmen mit einem „Brüderrat“ als Leitung
  • 1916 erste Abendmahlsfeier in der Gemeinschaft
  • 1934 Verbot der Mitgliedschaft von Jugendlichen unter 18 Jahren durch die Nationalsozialisten; die Gestapo verhört Gemeinschaftsmitglieder.
  • 1937 Verbot eines Kinderfestes und einer Kinderfreizeit
  • 1944 (25.10.) eine Fliegerbombe zerstört das Gemeinschaftshaus; Familie Witt nimmt die Sonntagsstunde und die Bibelstunde in ihrem Haus auf
  • 1945 nach Kriegsende finden die Veranstaltungen im Anschargemeindehaus statt
  • 1945/6 Zustrom von Flüchtlingen
  • 1947 erste Anstellung einer Gemeinschaftsschwester
  • 1952 Einweihung des neu erbauten Gemeinschaftssaales
  • 1957 Bezug des neu erbauten Wohnhauses vor dem Saalgebäude
  • 1974 Einweihung des „Jugendheims“ mit Gruppenräumen und Sanitäranlagen
  • 1996 (13.1.) Brand im Kaminraum des Jugendheims
  • 1997 Einweihung des renovierten Jugendheims
  • 2007 Kauf der Druckerei Ihloff, Klosterstraße 36
  • 2009 Erste Konfirmationen
  • 2013 Abriss der Druckerei
  • 2014 vorläufige Neugestaltung des Druckereigeländes in eine Rasenfläche

Heute gehören zur Gemeinschaft Neumünster ca. 90 Mitglieder, eine große Zahl von Freunden und regelmäßigen Besuchern und viele Kinder.
Das Gemeindeleben ist ausgesprochen vielfältig und bietet für jede Altersgruppe etwas. Der Gottesdienst der Gemeinschaft Neumünster bietet eine erfrischend andere Form von Kirche – als selbstständige Arbeit in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland.

Grundsteinlegung

Grundsteinlegung

Saalbau aus Trümmersteinen

Saal mit Empore – heute Büro

Gemeinschaftshaus noch ohne Wohnhaus davor

Gemeinschaftshaus

Gottesdienstsaal

1952 Einweihung des neuen Gemeinschaftshauses

Haupteingangstür